Sonntag, Januar 22, 2006

Eine Hymne der hl. Theresia vom Kinde Jesu

JESUS, MEIN VIELGELIEBTER, DENK DARAN!

O denke deines Vaters Glanz und Schöne,
Erinn're dich der ew'gen Herrlichkeit,
Die du, um zu erretten Erdensöhne,
Verließest, als du kamst ins Land der Zeit,
Zur reinsten Jungfrau hast du dich herabgelassen,
Verhülltest deine Gottheit, Herr. Wer kann es fassen?
Dein zweiter Himmel ward
Der Schoß der Jungfrau zart.
O denk daran!

Gedenk des Sanges deiner Engelchöre,
Als du herniederkamst als Menschenkind.
"Gott in der Höh' sei Ruhm und Macht und Ehre
Und allen Heil, die guten Willens sind."
Du hieltest treu dein Wort seit neunzehnhundert Jahren;
Der Friede ist der Reichtum deiner Kinderscharen.
Zu kosten immerzu
Die heil'ge süße Ruh,
Komm' ich zu dir.

In deinen Windeln halte mich verborgen.
Bei deiner Krippe möcht' ich immer sein,
Mit Engeln singen dem Erlösungsmorgen
Und den Geheimnissen des Festes dein.
Erinn're auch noch dich der Hirten und der Weisen,
Die Herz und Huldigung dir weihten, dich zu preisen,
Unschuld vergoß ihr Blut
Für dich, das höchste Gut.
O denk daran!

Nach Mutterarmen trugest du Verlangen,
Verließest Königsthron und Himmelslust.
O Kind, um Kraft zum Leben zu erlangen,
Bot sich dir nun die mütterliche Brust.
Zum Gastmahl deiner Mutter wollest du in Gnaden
Dich neigen, kleiner Bruder, um mich einzuladen.
Es schlägt dein Herzelein
Für mich, das Schwesterlein,
O denk daran!

Gedenke Josephs, seiner Vatersorgen!
Vom Himmel war er dir bestimmt zum Schutz,
Er läßt dich ruh'n, im Mutterschoß verborgen,
Und bietet schweigend dem Herodes Trutz.
O ew'ges Wort, wer kann des Rätsels Lösung zeigen?
Du heißest Engel reden, hüllst dich selbst in Schweigen.
Das Land des fernen Nil
Ward der Verbannung Ziel.
O denk daran!

Gedenk des Mondes und der gold'nen Sterne,
Die du erblicktest in der Fremde weit,
Die ich einst schau' in wolkenloser Ferne,
Wie haben sie dein kindlich Aug' erfreut!
Liebkosend deine Mutter mit zarten kleinen Händen,
Trugst du die ganze Welt, um Leben ihr zu spenden.
Und du gedachtest mein,
O Jesus, König klein,
O denk daran!


Gedenk, wie du verborgen warst beflissen,
Zu bieten harter Arbeit deine Hand.
Wie du verschmähtest alles Menschenwissen,
Wie lieb dir war ein Leben unbekannt.
Ein Wort von dir erfüllte jedes Herz mit Wonne,
Doch du verhülltest deiner ew'gen Weisheit Sonne.
An Wissen arm und klein,
Wollt'st, starker Herr, du sein.
O denk daran!

Gedenke jener trauten Abendstunde,
Da du voll Liebe Kinder riefst herbei.
Dein Segen und ein Kuß von deinem Munde,
O Jesus, mein beglückend Anteil sei.
Um mich zu freuen einst im Schauen und im Lieben
Will ich auf Erden jetzt der Kinder Tugend üben.
Du sprichst: "Dem ist das Reich,
Der ist den Kindern gleich"
denk daran!

Gedenke, o mein Jesus, du mein Leben,
Daß du mich liebtest bis zum Kreuzestod.
Ich will dir Liebe bis zur Torheit geben;
Mein Leben nimm mit seiner letzten Not.
Als Märtyrin zu sterben ist mein ganz' Verlangen.
Zu helfen, daß dich alle lieben, dir anhangen.
Laß sterben mich aus Lieb',
Herr, still' den heil'gen Trieb
O denk daran!

Gedenk des Tages, da du überwunden den Tod.
"Du hast geglaubt, weil du geschaut,
Dem Heil, der ohne Schauen mich gefunden",
Du sprachst, "und meinem Worte fest vertraut."
Im Schatte meines Glaubens, Herr, ich dich anbete.
Zu sehen dich, erwarte ich die Morgenröte.
Hienieden glaube ich,
Einst will ich schauen dich.
O denk daran!

Gedenke, als du zum Vater heimgegangen,
Zu Waisen machen wolltest du uns nicht.
Du lebst auf Erden im Altar gefangen,
Verbirgst uns deiner Gottheit strahlend Licht.
Die Schatten deiner Schleier glänzen wie die Sonne,
Lebend'ges Brot des Glaubens, wahre Himmelswonne!
O Liebe, so verhüllt,
Die meinen Hunger stillt!
O Jesus süß!...

Dein Heiligtum, mein Herz, entweihet nimmer
Des Bösen Hand. O komm und bleib bei mir!
Dein Blumengarten sei es, Herr, auf immer.
Sieh, jede Blüte wendet sich zu dir.
O Lilie, glänzend weiß du darfst mich nie verlassen.
Mit Jesus, mild und zart,
Du Lilie edler Art,
Bleib' stets in mir.

Gedenke, Jesus, meiner Seufzer alle
An jenem Tag der großen Wiederkehr.
O, daß doch bald des Engels Ruf erschalle;
"Kommt zum Gericht. Nun ist die Zeit nicht mehr!"
Durch alle Räume eilend meinen Flug ich richte
Zu dir, mein Gott, und ruh' an deinem Angesichte.
Im Paradiese dein
Sollst du mein Himmel sein.
O Denk daran!

Schw. Theresia vom Kinde Jesu, gestorben im Karmel zu Liseux am 30. September 1897 im Alter von 24 Jahren.

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